Gestern wurde ich gefragt: "Was macht eigentlich einen guten Coach aus?" und meine spontane Antwort darauf lautete: "Einfühlungsvermögen, gute Fragen und die Fähigkeit, sich selbst auszublenden." Mein Gegenüber war etwas irritiert, sie erwartete scheinbar eine ganz andere Aussage, doch ich blieb bei meiner Antwort. Über die Aspekte eines guten Coachs lässt es sich herrlich ausgiebig diskutieren. Die Einen tendieren zu den fachlichen Fähigkeiten oder der langjährigen Erfahrung als Qualitätsmerkmal, die Anderen eben zu diesen "weichen" Faktoren. Doch, bevor wir überhaupt in die Diskussion einsteigen, was einen guten Coach ausmacht, sollten wir zunächst verstehen, was Coaching überhaupt ist. Es gibt mittlerweile ein sehr breit aufgestelltes Angebot an Coaching am Markt und für viele von uns kann das schnell unübersichtlich werden. Daher möchte ich dir mit diesem Beitrag helfen, einen Einblick zu gewinnen und dich besser zurecht zu finden.
Woher kommt das Coaching und was ist es genau?
Das Coaching kommt ursprünglich aus den USA. Im 19. Jahrhundert bezeichnete es die Tätigkeit von privaten Tutoren für Studenten, in neuerer Zeit setzte sich der Begriff als persönlicher Trainer im Sportbereich durch (1). Später wurde das Genre dann auf die individuelle Beratungsleistung für Unternehmen übertragen, um einen Unterschied zum Training hervorzuheben. Das Training verfolgt, allgemein gesprochen, den Ansatz, bestimmte Methoden, Techniken oder Inhalte an eine Gruppe weiterzugeben. Dabei passen die Gruppenmitglieder ihre Fähigkeiten dieser Methoden an und üben sie solange ein, bis sie diese ihrem Anspruch zufolge beherrschen. Das Coaching hingegen verfolgt den Ansatz, sich auf die Fähigkeiten des Einzelnen zu konzentrieren. Dafür werden individuelle Lösungsansätze, Übungen und Techniken angewandt, die diese Fähigkeiten hervorbringen oder besonders unterstützen.
Im neueren Verständnis wird das Coaching dem Oberbegriff der Beratung zugeordnet, wobei es jedoch als eine "Beratung ohne Ratschlag" verstanden werden sollte. Ein Coach hilft Klienten dabei, eigene Lösungen zu finden, eigene Kräfte zu entfalten und eigene Wege zu entdecken und zu gehen. Und das ist gar nicht so einfach. Denn jeder Coach hat auch eine eigene Persönlichkeit, eigene Erfahrungen und eigene Vermutungen über die Lösungsansätze des Klienten. Daher wird das Coaching auch gerne als Beratungskunst betitelt. Denn es ist schon eine besondere Kunst, den Klienten beizustehen, ohne sie zu lenken oder Ratschläge zu geben. Und genau das meinte ich damit, als ich sagte, ein Coach müsse sich selbst ausblenden können.
Welche Arten von Coaching gibt es?
Zunächst können wir grob zwischen drei Einsatzgebieten des Coachings unterscheiden: dem Business Coaching, dem Personal Coaching - häufiger auch Life Coaching genannt - und dem Sport Coaching. Beim Sport Coaching handelt sich um die Steigerung der individuellen Performance von Leistungssportlern oder des gesamten Teams unter Berücksichtigung der Fähigkeiten der einzelnen Teammitglieder. Das Business Coaching ist eine individuelle Beratungsleistung im Unternehmensumfeld. Themenfelder können u.a. sein: Leistungssteigerung von einzelnen Mitarbeitenden oder Führungskräften, Verbesserung der Managementkompetenzen, Organisationsentwicklung, Teamprozesse und -kommunikation. Diese Unterstützung kann außerhalb oder innerhalb des Unternehmens stattfinden, auf individueller oder auch auf Teamebene. Personal Coaching und psychologische Beratung sind Dienstleistungen im privaten Kontext. In den folgenden Abschnitten gehe ich näher auf diese Sparte des Coachings ein.
Hierbei sei angemerkt, dass die Begriffe "Coach" und "Coaching" weder geschützt noch reguliert sind. Durch diese fehlende Regulation kann sich im Grunde jede:r Coach nennen, ob mit oder ohne Ausbildung. Ob ein Coach sich ohne eine entsprechende Ausbildung Coach nennen sollte, ist und bleibt eine Glaubensfrage. Es gibt aus meiner Sicht zwei nahezu gegensätzliche Lager unter den Coaches: diejenigen, die das Coaching als professionell erlernten Beruf und geschützte Beratungsform eingrenzen möchten, sowie diejenigen, die in erster Linie anderen Menschen bei ihren Problemen helfen möchten. Ich nenne sie gerne die "traditionellen" bzw. die "freien" Coaches. Die traditionellen Coaches sind thematisch eher breit aufgestellt und erlernen neben ihrer fundierten Ausbildung noch weitere Verfahren, um ihre Profession auszubauen. Die freien Coaches spezialisieren sich häufig auf ein eng eingegrenztes Themengebiet, meistens aufgrund ihrer persönlichen Geschichte. Sie haben selbst einen bestimmten Veränderungsprozess erlebt und möchten anderen gerne helfen, diese Veränderung auch zu vollziehen. Sie agieren also frei aus ihrer eigenen Erfahrung heraus oder haben bereits zusätzlich eine spezialisierte Coaching-Ausbildung für ihr Themengebiet absolviert. Durch diese Spezialisierungen kommt es zu den unterschiedlichsten Neubenennungen, wie beispielsweise "Spirituelles Coaching", "Coaching für gesunde Ernährung", "Achtsamkeits-Coaching" oder sogar "Dating- und Flirt-Coaching". Diese frei erzeugten Begriffe dienen dazu, sich von dem größeren Gesamtangebot abzugrenzen und deutlich auf die thematische Nische hinzuweisen. Auch hier sind dem persönlichen Gestaltungsspielraum keine Grenzen gesetzt.
Ich möchte hiermit hervorheben, dass ich beide Lager im Coachingmarkt wertvoll und wichtig finde. (Und auch, dass es natürlich viel dazwischen gibt.) Dank der traditionellen Coaches behält der Markt seine professionelle Ausrichtung und einen hohen Qualitätsanspruch. Um diesen zu gewährleisten, gibt es mittlerweile eine Reihe von zertifizierenden Institutionen, die dafür eigene Voraussetzungen festlegen. Sie vergeben ihre Gütesiegel nur an ausgewählte Coaches, die diese Kriterien erfüllen. Dank der freien Coaches hingegen wird das Angebot vielfältiger, interessanter und zugänglich für mehr Hilfesuchende. Das Coaching erlebt einen Imagewandel und dadurch erfährt wiederum der gesamte Markt einen Aufschwung.
Was ist Personal Coaching und welche Themen werden dort behandelt?
Personal Coaching ist eine individuelle und themenbezogene Lebensberatung. Dabei werden Probleme, Ziele, Visionen und Ressourcen geklärt, persönliches Feedback gegeben sowie Lösungen in Form von Bewältigungs- und Umsetzungsstrategien erarbeitet. Life Coaching und Personal Coaching könnten im engeren Sinne noch von einander unterschieden werden, in der Praxis werden sie aber meistens synonym verwendet.
Zu einem Life oder Personal Coach kommen die Klienten also mit einem persönlichen Anliegen. Dieses kann auch aus dem beruflichen Kontext entspringen und sich verstärkt im Privatleben auswirken. Oftmals kommen die Klienten mit einem reinen Symptom oder einer offensichtlichen Problemstellung in die Coaching-Praxis. Dies können beispielsweise berufliche Neuorientierung, Sinnkrisen, Unzufriedenheit, Lust auf Veränderung, Kommunikationsprobleme, Mobbing, Beziehungsprobleme, Erschöpfung oder Burn-Out sein. Dahinter liegen aber in den meisten Fällen ganz andere Ursachen, die dem Klienten häufig nur begrenzt oder gar nicht bewusst sind. Stelle dir hier den Eisberg vor, der mit seiner Spitze über der Wasseroberfläche die sichtbaren Probleme zeigt. Unter der Wasseroberfläche jedoch befindet sich die größere Masse des Eisbergs, die die tieferliegenden Ursachen eines Problems darstellen. Kurzfristige Maßnahmen wie Entspannungsübungen oder Konfliktlösung sind hilfreich, um eine schnelle Linderung der Auswirkungen eines Problems, wie das Stressempfinden, zu erreichen. Sie dienen aber häufig der reinen Symptombehandlung und wirken somit nur an der Oberfläche. Im Coaching gilt es, unter die Oberfläche zu gelangen, um eine langfristige Lösung erarbeiten zu können.
Die Arbeitsfelder des Personal Coachings sind so vielfältig wie die (tieferliegenden) Probleme, die wir Menschen mit uns herumtragen. Typische Themengebiete können sein:
- Feststellung der individuellen Fähigkeiten und Wissens
- Persönliche Werte, Überzeugungen, Wertesysteme und Wertekonflikte
- Auflösen von blockierenden Glaubenssätzen und Einstellungen
- Ausarbeitung der eigenen Rollen, Identität und Zugehörigkeit
- Aufstellung von Zielen und Visionen
- Verbesserung der Gesundheit und des Körpergefühls
- Lösung von Beziehungskonflikten in Familie, Liebe, Partnerschaft
- Erkundung von Logik, Trance und Intuition
- Auseinandersetzung mit der eigenen Spiritualität, dem Glauben und der Religion
Im Coaching geht es außerdem nicht nur darum, ein Problem in seiner Tiefe zu betrachten und zu lösen, sondern es auch in einem ganzheitlichen Zusammenhang im Leben des Klienten zu sehen. Dazu werden die verschiedenen Bereichen unseres Lebens analysiert und eine Balance zwischen den unterschiedlichen Rollenanforderungen angestrebt. Die Lebensbereiche können sein: Arbeit/Beruf/Karriere, Familie, Freunde/Gemeinschaft, Liebe/Partnerschaft, Gesundheit, Finanzen, Lebensumgebung, Selbstverwirklichung, Spiritualität/Glaube.
Ein Coaching verläuft häufig in dieser Reihenfolge:
- Problemfeststellung, sowie Problem hinter dem Problem
- Zielsetzung, sowie Ziel hinter dem Ziel
- Ressourcenklärung
- Optional kommen die Planung sowie die Erfolgskontrolle hinzu
Wie strikt diese Reihenfolge eingehalten wird, wie viele Sitzungen benötigt werden und ob und wie die einzelnen Schritte zur Zielerreichung festgehalten und nachgehalten werden, ist abhängig von dem Coach sowie von dem Anliegen der Klienten.
Was ist der Unterschied zwischen (Personal) Coaching und Psychotherapie?
Hier möchte ich direkt einstiegen mit dem Hinweis, dass Coaching keine Psychotherapie darstellt und sie auch nicht ersetzen kann. Eine Psychotherapie ist die Behandlung definierter psychischer Störungen mit Krankheitswert, für die es eine offizielle Klassifikation (ICD) der Weltgesundheitsorganisation gibt. Mit dem vorherrschenden Mangel an Therapieplätzen wird die Einhaltung der Klassifikation zunehmend wichtig und daher streng kontrolliert. Eine Therapie dient den Patienten in erster Linie dazu, ihr Leid zu heilen oder ihre Schmerzen zu lindern. Die Patienten wollen "weg" von ihrem Problem. Im Coaching hingegen wollen sich die Klienten nicht von etwas weg bewegen, wie in der Therapie, sondern ein Ziel formulieren und sich darauf "zu" bewegen. Es gibt für das Coaching keine definierte Eingrenzung der Fälle, also der Arbeitsfelder oder Problemschwere, die behandelt werden dürfen. Außerdem sind in einer psychotherapeutischen Behandlung die Therapeuten die Experten und maßgeblich verantwortlich für den Erfolg der Therapie. Im Coaching wiederum bleibt der Klient der Experte für sein Problem, der Coach sieht sich als Begleiter. Somit wird die Eigenverantwortung des Klienten im Coaching vorausgesetzt und gestärkt.
Diese Definition und Abgrenzung zwischen Psychotherapie und Coaching entspringt nur der Theorie. In der Praxis verschwimmen diese Grenzen häufig, da Klienten, die ins Coaching kommen, sich ihrer Problemschwere oder ihrer eigentlichen Störung noch gar nicht bewusst sind. Menschen, die in einer schweren Lebenskrise stecken oder viele unverarbeitete Probleme mit sich herumtragen - also Fälle, die in einem Grenzbereich zwischen Coaching und Psychotherapie liegen - dürfen sich zunächst vertrauensvoll an einen Coach wenden. Professionelle Coaches, ob frei oder traditionell, sollten ihre Coachingleistung aber immer formal und methodisch von einer Psychotherapie trennen.
Für wen ist Personal Coaching geeignet?
Menschen mit einer psychologischen Störung gehören in eine Psychotherapie. Menschen mit einem (zukunftsorientierten) Veränderungswunsch gehören in ein Coaching. Zugegeben ist das etwas plakativ formuliert, kann aber zum Erstverständnis helfen. Es gibt auch noch weitere Beratungsformen wie beispielsweise Seelsorge, Mediation oder Supervision, auf die ich an dieser Stelle nicht weiter eingehe.
Coaching ist also ideal für alle, die sich proaktiv um die Lösung eines Problems bemühen wollen und bereit sind, eigenverantwortlich Veränderungen anzugehen und umzusetzen. Coaching ist nicht geeignet für diejenigen, die nur jammern, meckern oder schimpfen wollen, die Probleme nur bei den anderen sehen oder die "keine Zeit" für so einen "Firlefanz" haben.
Für welche genaue Coaching-Ausrichtung der Klient sich dabei entscheidet, ist abhängig von seinem identifizierten Problem. Dank des breiten Angebots und der Möglichkeit, Coachings online durchzuführen, gibt es einen vereinfachten Zugang zu einer Vielfalt an Coaches. Um hier einen passenden Coach für sein Problem zu finden, kann man entweder auf Empfehlungen anderer vertrauen oder sich selbst bestimmte Kriterien überlegen, die ein Coach erfüllen sollte. Ich empfehle in jedem Fall, den Coach vorher in einem Erstgespräch kennenzulernen. In so einem Erstgespräch geht es darum, das Anliegen und den Lösungsrahmen zu klären und zu schauen, ob beide Parteien miteinander harmonieren. Wer sich gut aufgehoben fühlt bei einem Coach, wird sich auch öffnen können. Das ist für mich eine der Grundvoraussetzungen für den Erfolg eines Coachings.
Fazit
Ob im beruflichen, privaten oder sportlichen Kontext - Coaching ist eine ideale Möglichkeit zur individuellen Begleitung bei jeglichen Veränderungsprozessen. Das Angebot, gerade im "Life Coaching", wächst stetig und wird zunehmend beliebter für Privatpersonen. Ich persönlich finde es großartig, dass immer Menschen sich der wundervollen Aufgabe annehmen, anderen bei ihren Problemen helfen zu wollen. Überlege doch nur mal, wie schwierig es ist, an einen Platz für eine Psychotherapie zu kommen. Es gibt nicht genügend Psychotherapeuten, die die steigende Nachfrage an psychologischer Betreuung abdecken können. Und das wird sich auch nicht kurzfristig ändern, denn die Ausbildung ist lang, schwierig und teuer. Zurecht, natürlich - denn, wie bereits erläutert, hat eine Psychotherapie einen deutlich anderen Anspruch als ein Coaching. Und genau hier ist Coaching, ob im beruflichen oder privaten Kontext, eine wunderbare Möglichkeit, diese Lücke zumindest ansatzweise zu füllen. Mehr noch - durch mehrere Studien konnten dem Coaching Effekte nachgewiesen werden, die eine schwere psychische Störung sogar vorbeugen können. So kann das Coaching helfen, seine Selbstwirksamkeit und Achtsamkeit zu verbessern, Stress, Burnout und Fehlzeiten zu reduzieren sowie einen höheren Zielerreichungsgrad und eine höhere Zufriedenheit herzustellen2.
Und jetzt mal Hand auf's Herz - hast du nicht auch gerade vielleicht eine besondere Herausforderung in deinem Leben, bei der du dir Begleitung wünschst?
Falls ja, lass uns einfach darüber sprechen. Vielleicht kann ich dir ja bei deinem Veränderungswunsch helfen, vielleicht empfehle ich dir jemand anderes. Entgegen der vorherrschenden Meinung, fahren wir Coaches nicht gegenseitig die Ellenbogen aus, sondern sind oft gut vernetzt und vermitteln gerne Klienten untereinander, wenn wir das Gefühl haben, dass dies der bessere "Match" sein könnte. Denn, unser Anspruch ist es, den Klienten die bestmögliche Begleitung für ihre Anliegen zu bieten.
Ich hoffe, ich konnte dir helfen, eine Übersicht über den Coaching-Markt zu erlangen.
Eine Randnotiz: dieser Beitrag basiert auf meine eigenen Einschätzungen und Interpretationen der Begrifflichkeiten und der Gegebenheiten am Coaching-Markt und hat keinen Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit.
Lass mir gerne deine Gedanken dazu da.
Von Herzen,
deine Wencke
Quellen:
(1) Begriff "Coaching"- Artikel auf Wikipedia,
https://de.wikipedia.org/wiki/Coaching
abgerufen am 26.01.2023
(2) "Die Wirkung von Coaching" - Beitrag auf Rauen Coaching
https://www.rauen.de/coaching-report/definition-coaching/wirksamkeit.html
abgerufen am 26.01.2023